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Die Planung

Im Anschluss an den Norwegenurlaub im Jahre 1992 reifte in mir der Entschluss im nächsten Jahr, nach Absolvierung meiner Technikerausbildung, noch einmal eine Kanutour im Westen Kanada`s zu unternehmen.

Nach dem Studium einschlägiger Literatur filterten sich einige wenige, mit meinem kanutechnischen Können, machbare Flußtouren heraus. Sehr hilfreich dabei war der „Kanuführer Westkanada", in dem sehr detailliert auf einzelne Routen und deren Schwierigkeitsgrade und Portagen eingegangen wird.

Die Wahl der Mitfahrer gestaltete sich erheblich einfacher. Mein langjähriger Urlaubsbegleiter Thomas sollte, und wollte auch diesesmal wieder mit von der Partie sein. Als ich im Freundeskreis über unser Vorhaben sprach, war auch ein weiterer Teilnehmer gefunden. Mikel, der auch schon in Norwegen an meiner Seite marschierte, wollte sich diese Chance auf einen „geilen" Outdoor-Urlaub nicht entgehen lassen.

Dies warf jedoch das Problem eines weiteren Mitfahrers auf, welches, wie sich im weiteren Verlauf unserer Vorbereitungen herausstellen sollte, nicht ganz einfach zu lösen war. Aber eine Lösung musste gefunden werden, denn keiner von uns dreien wollte allein in einem Kanu unterwegs sein.

Anfang des Urlaubsjahres sollten nun Nägel mit Köpfen gemacht werden. Es ging nun daran, entgültig sich auf eine Route festzulegen, und im Anschluss daran die kostengünstigste Möglichkeit für Flug, Transport und Kanu herauszuarbeiten. Wir verschickten Telefaxe in rauhen Mengen über den „Großen Teich", wälzten Katalog über Katalog, tätigten viele Telefonate und besuchten auch noch die Reisemesse „Caravan, Boot und Reisemarkt" in München. Dies alles zog sich mit den nachfolgenden Buchungen noch weit in das Jahr hinein, und sollte uns noch so manchesmal beschäftigen.

Glücklicherweise konnten wir in Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon Territorries, einen Kanuverleiher finden, die uns ein Boot anzubieten hatte, das groß genug war, um drei Mann samt Gepäck aufzunehmen. Dieser Umstand erübrigte die leidige Suche nach einem geeigneten vierten Mitstreiter. Ebenso konnten wir über eben diese Firma „Canoe People" den Transport zu unserem Ausgangspunkt buchen, was eine ziemliche Erleichterung bedeutete und die Route somit entgültig festlegte. Startpunkt unserer Kanutour sollte Johnsons Crossing, etwa 200 km östlich von Whitehorse am Alaska Highway gelegen, sein. Von dort ging es den Teslin River hinab bis zur Mündung in den Yukon River bei Hootalinqua und von dort weiter über Carmacks den großen Fluß des Nordwestens hinab bis Dawson City am Zusammenfluß von Yukon und Klondike River. Ingesamt fast 800 km durch nahezu unberührte Natur. Der Termin für den Abflug wurde auf den 14. Juli gelegt, Beginn unserer grandiosen Kanutour sollte der 16. Juli sein.

Da Mikel zum erstenmal Kanada besuchte, kamen wir seinem, nur allzu verständlichen, Wunsch nach, etwas mehr vom Land sehen zu wollen, und buchten für die zweite Urlaubshälfte ein Wohnmobil, mit dem wir dann von Whitehorse nach Vancouver am südlichen Ende British Columbia`s fahren wollten. Somit waren dann die ersten Schritte für 6 Wochen Urlaub im Westen Kanada`s getan.


Die Vorbereitungen

Nach mehreren Treffen, bei denen mehr oder weniger die Durchführung des Urlaubes im Geiste vorweggenommen wurde, waren alle Teilnehmer bestrebt, sich mit den noch fehlenden Utensilien einzudecken. „Lauche und Maas", ein Laden für Outdoor-Equipment im Norden Münchens, war ein beliebter Anlaufpunkt. Des öfteren kontaktierten wir die Mitarbeiter, da uns hier der Service und die Beratung am besten und objektivsten erschien. Um einen Überblick über die komplette notwendige Ausrüstung zu bekommen, fertigten wir Listen an, die, in Rubriken aufgeschlüsselt, eine wertvolle Hilfe bei der Beschaffung und auch letzendlich beim Verpacken der Gegenstände waren.

Inzwischen war viel Zeit vergangen und es waren nur noch wenige Wochen bis zum Abflug. Nun hielten wir es für sinnvoll, eine Probepackung der eigens von uns für diesen Urlaub bei der Fa. Böhme in Geretsried zu einem Spottpreis erworbenen 60l-Plastiktonnen durchzuführen. Leider mußten wir hierbei auf Thomas, der verhindert war, verzichten, so daß sich das ganze doch nicht als Generalprobe darstellen lies. Aber nach telefonischer Rücksprache konnte auch die Unterbringung des restlichen Materials geklärt werden. Somit war ein erster Anhaltspunkt über die Aufteilung der Ausrüstung gegeben.

Am Wochenende vor dem Abflug trafen wir uns dann noch ein letztesmal, um sämtliches Material zu verpacken, natürlich ohne das persönliche Hab und Gut, für das jeder einzelne selbst zuständig zeichnete, konnte man sich doch im Vorfeld nicht ganz über dessen Zusammensetzung einig werden. Fertig gepackt stand nun alles da und harrte der verbleibenden Tage bis zum Abflug.


Der Flug

Bereits gegen halb zehn Uhr stehen mein Vater und Mikel vor meiner Haustüre. Schnell sind meine Reiseutensilien im Auto meines Vaters verstaut, als da wären der Rucksack mit etwa 29 kg, die 60l-Plastiktonne mit etwa dem gleichen Gewicht, sowie das Handgepäck, das hauptsächlich aus der Fotoausrüstung besteht. Nach einer kurzen Verabschiedung von meiner Mutter und den Katzen geht es weiter zum neuen Münchner Flughafen im Erdinger Moos. Viertel nach elf treffen wir dort ein, laden unser Gepäck auf zwei Wägelchen, die je 2 Mark kosten, und warten auf den Dritten im Bunde, Thomas. nach 5 Minuten können wir ihn in Empfang nehmen und uns zum Einchecken begeben.

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Am neuen Münchner Flughafen "Franz-Josef-Strauss"

Dort ein erster Schreck. Der Flug ist, wie uns eine Stewardess berichtet, oversold, d.h. es müssen wohl einige hierbleiben und später fliegen. Zum Glück trifft es uns nicht, nur durch die Überbelegung können wir bis Toronto nicht nebeneinander sitzen, sind über das ganze Flugzeug verstreut. Pünktlich heben wir ab und genießen den guten Service an Bord der 767 der Canadian Airlines. nach ca. 6 Stunden Flugzeit teilt uns der Kapitän mit, dass er in Goose Bay, Labrador, zwischenlanden müsse, da ein Passagier der Business Class einen Herzinfarkt erlitten habe. Dies beschert uns einen eineinhalb-stündigen, nicht eingeplanten Aufenthalt an Kanada`s Ostküste, und es tauchen in mir erste Zweifel auf, ob wir den Anschlussflug nach Vancouver noch erreichen werden. Man stelle sich vor wir müssen einen späteren Flug nehmen, dann wäre es wohl auch Essig mit dem Anschluss nach Whitehorse, man darf sich das gar nicht ausmahlen. Eine Stewardess versucht mich zu beruhigen, doch ganz kann selbst sie meine Zweifel nicht zerstreuen.


Bei Ankunft in Toronto geht die Hektik dann los. Nichts wie raus aus dem Flieger, zur Passkontrolle geeilt, doch dort hat sich bereits eine lange Schlange gebildet. Kostbare Minuten verlieren wir durch unnötiges Anstehen, die wir auch im Anschluss am Gepäckband nicht wieder aufholen können, da natürlich wieder eine Tonne auf sich warten lässt. Glücklich darüber, alles in Händen zu halten, laufen wir weiter am Zoll vorbei, der, Gott sei Dank, keinerlei Schwierigkeiten bereitet, hin zur Gepäckaufgabe. Hier wieder das gleiche Bild. Tausende von Menschen mit noch viel mehr Gepäckstücken warten darauf einchecken zu können. Wir sind kurz davor zu resignieren, da winkt uns eine freundliche Angestellte nach vorne und wir müssen nicht anstehen, da unser Flieger scheinbar nur noch auf uns wartet. Schweissgebadet erreichen wir im letzten Augenblick den Abflugterminal und somit unseren Flieger nach Vancouver. Da der Vogel halbleer ist, können wir uns jeder auf einer 3-er Sitzreihe langmachen und so doch ein wenig schlafen.

In Vancouver angekommen, müssen wir ein wenig Wartezeit totschlagen und machen deshalb einen Spaziergang durch den Airportparkplatz und geniessen die laue Abendluft.

Whitehorse schließlich empfängt uns nach über 16 Stunden auf Flughäfen und in Flugzeugen mit einem wolkenlosen Himmel und wunderschönem Abendrot. Nach kurzer Wartezeit am Taxistand, wobei wir Feuerwehrmännern dabei zusehen, wie sie versuchen einen in Flammen stehenden Geräteschuppen zu löschen, organisieren wir uns telefonisch selbst ein Taxi, welches uns gegen Mitternacht zum Robert-Service-Campground, ein paar Kilometer außerhalb von Whitehorse, bringt.

Der Zeltaufbau, zu so später Stunde gewöhnlich doch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, gestaltet sich dank der Mitternachtssonne relativ unproblematisch. Da wir alle drei noch ziemlich aufgedreht sind, müssen wir noch einen kleinen Spaziergang durch den Campingplatz unternehmen um die nötige Bettschwere zu erlangen. Diesen teil der Reise haben wir also schon mal gut hinter uns gebracht.


Der Einkauf

Als ich das erste Mal aufwache ist es halb sechs, also lege ich mich auf Thomas Anraten hin nochmals flach. Bereits eineinhalb Stunden später ist es dann er selbst, der mich aufweckt. Das Frühstück muss mangels Utensilien karger als gewöhnlich ausfallen, es gibt nur eine Fruchtschnitte pro Mann. Anschließend stellen wir uns ein bißchen in die Sonne, da es doch noch ziemlich frisch ist jetzt am Morgen. Kurz nach 8 Uhr machen wir uns per pedes auf die Socken nach Downtown Whitehorse.

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Zuallerserst genehmigen wir uns in einem Cafe ein typisch amerikanisches Frühstück mit Eiern (Spiegel- bzw. Rührei), gebratenem Speck, Kartoffeln und Toast, dazu Kaffee oder Tee und Orangensaft.

Danach machen wir uns auf die Suche nach dem Kanuverleih und klären alles für den morgigen Tag ab. Gezahlt wird auch gleich, gelobt sei die Kreditkarte. Wir bekommen hier auch sehr gute, detaillierte Führer des gesamten Flußlaufes, somit sparen wir uns einen Weg zum Kartenshop.

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Nachdem alles geregelt wurde ist unser nächstes Ziel die Quanlin Mall, ein Einkaufszentrum. Wir kaufen Unmengen an Proviant, soviel, dass an einen Fußmarsch zurück zum Campingplatz nicht zu denken ist. Nachdem wir in einem gegenüberliegenden Geschäft auch noch einen passablen Topf gefunden haben, stellen wir uns mit unseren, in den Tagesrucksäcken verpackten Fressalien an den Straßenrand um zum Campingplatz zu trampen. Natürlich nimmt uns niemand mit, also heisst es wieder ein paar Dollar für das Taxi berappen.

Zurück am Zelt packen wir alles „sorgfälltigst" ein, was doch längere Zeit in Anspruch nimmt, da doch vieles umgefüllt werden muss. Hierbei bewähren sich unsere mitgebrachten Plastikbehälter hervorragend. Schließlich und endlich haben wir doch alles einigermaßen verstaut, und wollen nochmal in die Stadt um uns Grillfleisch, Bier und Whiskey für den Abend zu besorgen. Restlos geschafft, immerhin sind es jedesmal fast 4 km bis ins Stadtzentrum und das bei brütender Hitze, kehren wir zurück, kühlen uns in den Fluten des nahen Yukon ab, machen das erste Campfire des Urlaubes und genießen den ersten Abend in Kanada`s Norden.

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Geplantes Chaos

Die Kanutour

1. Tag

Gleich nach dem Frühstück packen wir zusammen da man uns zugesagt hat, dass man uns um 10 Uhr abholt. Mit ein paar Minuten Verspätung trifft unser Transportfahrzeug samt Kanu am Campingplatz ein. Es ist zwar nicht das versprochene junge Mädchen, sondern ein „etwas" älterer Mann, doch wie sich auf der Fahrt herausstellt, ist er sehr nett und zudem äußerst gesprächig. So quatschen wir über Gott und die Welt und die Fahrt gestaltet sich recht kurzweilig.

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Gegen Mittag erreichen wir Johnsons Crossing, den Startplatz unseres Outdoor-Trips. Rasch laden wir unser gesamtes Hab und Gut aus dem Auto aus, ebenso schnell ist es dann wieder im Kanu verstaut. Wir wollen möglichst rasch auf`s Wasser, weil noch 6 andere Kanus am Ufer liegen und darauf warten von ihren Besitzern in Bewegung versetzt zu werden.

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Bei schönstem Wetter paddeln wir also los, voller Erwartung der Dinge, die in den nächsten zweieinhalb Wochen auf uns zukommen werden. Die Anspannung der vergangenen Tage macht einer Mischung aus Vorfreude und aufkommender Gleichgültigkeit anderen Dingen gegenüber Platz. Wir werden eins mit der Natur und erfreuen uns an Sachen, die in der allgemeinen Hektik der zivilisierten Welt bereits seit langem verloren gegangen sind.

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Bereits nach wenigen Kilometern auf dem ruhig dahin fließenden Teslin River stoßen wir auf den ersten Bären, der sich am Ufer an einem Beerenstrauch labt. Kurz darauf läuft uns auch noch eine Elchkuh über den Weg und wir beginnen langsam zu realisieren, dass uns die Wildnis gefangen nimmt. Wir wollen heute nicht sofort mit einem Mammutprogramm an Paddelei beginnen, also suchen wir uns schon bald einen schönen Platz zum Übernachten, obwohl wir nur etwa 10 km zurückgelegt haben.

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Unser Platz erweißt sich als ehemaliges Trapperzuhause mit Blockhütte, Plumpsklo und was sonst noch alles dazu gehört. Wir liegen in der Sonne und genießen die Stille um uns herum, die nur ab und an vom Gezwitscher der Vögel durchbrochen wird. Leider fängt es kurz nach dem Essen wie aus heiterem Himmel zu regnen an, so dass wir in aller Eile unser Zeug zusammenräumen müssen und in den Zelten verschwinden. Eine kurze Regenpause gewährt uns noch einige Minuten am Lagerfeuer, doch dann zwingt uns das immer schlechter werdende Wetter wieder in unsere luftigen Unterkünfte.


2. - 5. Tag

An den folgenden Tagen sollte das Wetter einige Kapriolen schlagen. Von brütend heiß bis eisig kalt, von wolkenlosem Himmel bis zum tosenden Hagelschauer, begleitet von zuckenden Blitzen und rollenden Donnerschlägen konnten wir alles hautnah miterleben. So verwundert es nicht, dass wir des öfteren unser Kanu von überflüssigem Wasser befreien durften und der Kleidungswechsel immer schneller vonstatten ging. Dem Wetter entsprechend schwankte auch unsere Gefühlswelt hin und her. Unsere Gedanken und unser Tun trieben von Aufhören in Carmacks bis hin zu heiter ausgelassenem Paddeln und des sich Erfreuen an Natur, Einsamkeit und süsem Nichtstun.

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Scheiss Wetter!

Unterwegs treffen wir immer wieder auf die gleichen Leute und campieren teilweise auch zusammen mit ihnen. Es ist erstaunlich wie schnell man sich hier in der Einsamkeit von Kanada`s Wäldern vertraut und erfreut ist, andere Gesichter zu sehen und mit anderen Menschen zu sprechen, Gedanken und Erlebtes auszutauschen. Ein Grund hierfür dürfte wohl auch sein, dadurch ein bißchen aus der sich bereits eingestellten Routine ausbrechen zu können. So werden Tag für Tag die gleichen Handgriffe getätigt, die immer wiederkehrenden notwendigen Arbeiten vollzogen, bis man entweder im Kanu sitzt oder im Schlafsack liegt. Zu dieser aukommenden Monotonie trägt auch die gleichbleibende Landschaft bei, die nur langsam an uns vorbei zieht. Einzige Abwechslung während des Dahingleitens bietet die des öfteren am Ufer auftauchende Tierwelt, sei es nun Elch, Bär oder Weißkopfadler.

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Eines Morgens mußten wir leider auch feststellen, dass unser Zelt an Kopf- und Fußende nicht mehr dicht war, und unsere Schlafsäcke dadurch doch erheblich feucht wurden. Wir konnten diesem aber durch eine zusätzliche Zeltplane, die wir nun an jedem Abend über unser Zelt spannten, Abhilfe schaffen. Unser Outdoor-Brot, die Bannocks, gelangen uns von Tag zu Tag besser, dass sogar Mikel sich dafür begeistern konnte, war er doch anfänglich sehr skeptisch dem gegenüber eingestellt.

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Brotbacken mit Schwung; Essenszubereitung

Die einzigen Stromschnellen des Teslin waren Dank des hohen Wasserstandes überhaupt nicht zu erkennen. Statt der von uns erwarteten mannshohen weißen Wellen, die sich über riesigen Felsen brechen, um anschließend gurgelnd in die Tiefe zu stürzen, schier unmöglich erscheinend, dass je ein Mensch auch nur im entferntesten daran gedacht haben könnte mit einem so zerbrechlichen Etwas, das ein Kanu nun einmal darstellt, hier durchzufahren und sein Leben zu riskieren um der Nachwelt von seiner großartigen Tat zu berichten, plätscherte der Fluß nur etwas schneller vor sich hin, ohne auch nur einen Gedanken an die vielen Touristen zu verschwenden, die eigens deswegen hierher gekommen waren, damit auch sie ihrer Nachwelt etwas erzählen können. So ist es auch nicht verwunderlich, dass wir etwas enttäuscht darüber waren, wollten wir doch nach Tagen des träge sich dahin treiben lassens und des angestengt gegen desn Wind paddelns einmal so richtig den Geschmack von Abenteuer und Freiheit, von wildem Wasser auf unserer Haut spüren, den Kampf mit den Urgewalten der Natur aufnehmen, um etaws zu erzählen zu haben und uns wie Helden zu fühlen, wie Männer, denen es gelungen war, eine wunderschöne, geheimnissvolle Frau zu erobern.


5. - 9. Tag

In Hootalinqua, einem ehemaligen Handelsposten, verlassen wir die bräunlichen Wasser des Teslin und tauchen ein in die türkisfarbenen, merklich schneller fließenden Fluten des Yukon River. Neben der Farbe ändert sich allmählich auch das Erscheinungsbild der Landschaft, die uns auf unserem Weg nach Carmacks begleitet. Einzig das Wetter bleibt das gleiche, unbeständig und unberechenbar wie in den letzten Tagen.

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Durch den hohen Wasserstand, auch des Yukon, sind viele Kiesbänke überschwemmt, oder mit einer schmutzigen, lehmigen Schicht überzogen, die noch vom Hochwasser der vergangenen Tage kündet. Dies erschwert ein wenig die Suche nach geeigneten Übernachtungsplätzen und, sollten diese gefunden sein, die nach trockenem Feuerholz.

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Am Ufer tauchen nun immer häufiger alte Reliquien aus der Goldgräberzeit auf. Uns fallen im Vorbeifahren verrostete Schürfgeräte, viele verlassene und verfallene Hütten auf, in denen sich die Natur wild romantisch wieder breit gemacht hat, und langsam alle Spuren der Ausbeutung und des Raubbaus unter einem Mantel aus Gräsern, Blumen, Büschen und Bäumen zudeckt. Zudem besichtigen wir noch ein paar kleine Siedlungen, längst von ihren Erbauern verlassen, und nur noch als Mahnmal für die immer zahlreicher erscheinenden Touristen stehen gelassen.

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Kurz vor einer dieser Ansiedlungen, Little Salmon Village, passiert uns dann noch ein kleines Mißgeschick, das sich durchaus zu einem größeren hätte entwickeln können: bei dem Versuch aus einem Seitenarm zwischen zwei Inseln hindurch wieder in den Hauptarm zu gelangen, erwischt uns die heran rauschende Strömung und treibt uns direkt auf das am Ufer liegende Treibholz. Sofort stecken wir mit der Schnauze des Kanus fest und die hier doch starke Strömung drückt das hintere Ende, ohne das wir etwas dagegen unternehmen können, immer weiter um die eigene Achse, so daß wir zu einer Seite hin abkippen und bereits in der Mitte des Bootes Wasser hineinläuft. Da wir alle nicht mit so etwas gerechnet hatten reagieren wir etwas hektisch und unüberlegt, und schnauzen uns gegenseitig an. Doch nachdem die Lage des Bootes sich nicht mehr verändert und der erste Schrecken verebbt ist, versuchen wir mit vereinten Kräften rückwärts von den Baumstämmen herunter zu kommen. Als wir erstmal wieder im Wasser sind stabilisiert sich das Boot auch wieder und die Strömung nimmt uns wieder mit sich mit.

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Trotz des glücklichen Ausganges ist die Stimmung am Abend ziemlich getrübt, und so mancher wird wohl an ein Ende in Carmacks gedacht haben. Andererseits hatten wir nun unser Erlebnis und Abenteuer, und werden wohl auf den restlichen Kilometern etwas vorsichtiger agieren, nachdem wir gesehen haben, daß nicht allzuviel von Nöten ist um zu kentern, und was dann gewesen wäre möchte ich mir lieber nicht ausmahlen.

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Jedenfalls erreichen wir unversehrt Carmacks, wo wir unsere Zelte auf dem Provincial Campground direkt am Fluß aufschlagen und einen wohlverdienten Ruhetag genießen. Hier, in Carmacks, können wir unsere Essensvorräte auffüllen, duschen, mit der Heimat Kontakt aufnehmen und uns im Goldpanner Restaurant ein ordentliches Stück Fleisch und ein paar Bier genehmigen. Nebenbei lernen wir auch noch ein paar weitere Kanuten kennen und müssen leider auch feststellen, wie die hier ansässigen Indianer ihre letzten Dollar versaufen, und das bereits am Vormittag. Es ist traurig mit anzusehen wie eine solch alte und große Kultur langsam immer mehr zerfällt und so ein Stück Menschengeschichte für die Nachwelt verloren geht.

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Ankunft in Carmacks

10. - 16. Tag

Die zweite Etappe unserer Kanufahrt hat begonnen. Es liegen nun noch 420 km bis Dawson City vor uns. Bereits am ersten Tag treffen wir auf die berühmt berüchtigten "Five Finger Rapids". Unserem Kanuführer entsprechend wählen wir die Durchfahrt ganz rechts, die direkt unterhalb des Aussichtspunktes vorbeiführt, den man vom Klondike Highway zu Fuß über etliche Treppen und Stufen erreichen kann. Zwischen den haushohen Felsbrocken, die hier etwa 20 m auseinander stehen, bilden sich ca. 50 cm hohe Wellen mit kleinen Strudeln und aufstoßenden Pilzen. Für den geübten Kanuten dürfte dieser Anblick eher langweilig wirken, doch für uns bildet dieser Flußabschnitt doch den bislang imposantesten und beeindruckensten Eindruck. Die schnellen Wasser nötigen uns einen gewissen Respekt ab, und wir legen kurz vor der Durchfahrt nochmal an, um einen ersten kurzen Blick zu riskieren.

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Five Finger Rapids

Viel zu schnell rauschen wir dann hindurch. Zu vergänglich ist der kurze Augenblick des Hochgefühls. Trotz des nur Sekunden dauernden Rittes auf den weißen Wogen der Schnellen ergreift uns ein erhebendes Gefühl, etwas geschafft zu haben, eine "gefährliche" Passage bewältigt zu haben, die schon so manchem Trapper, so manchem Glücksjäger auf der Suche nach etwas Reichtum, so manchem Rastlosen auf der Suche nach neuen Abenteuern zum Verhängnis wurde, und die kühnsten Träume einfach mit sich fortriß. Gleich hinter den Stromschnellen legen wir nochmals an, um uns zu vergegenwärtigen, was wir gerade vollbracht haben, doch leider müssen wir uns eingestehen, daß es von der Ferne betrachtet viel zu harmlos wirkt, und wir können unseren Sieg über die Naturgewalten nur noch in kleinem Maße genießen.

Ein paar Meilen weiter umfahren wir die zweiten und letzten Stromschnellen des Yukon, die "Rink Rapids", ebenfalls ganz auf der rechten Seite, das sollte es dann gewesen sein an spektakulären Abschnitten auf unserem weiteren Weg nach Dawson City.

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Am nächsten und auch auf den darauffolgenden Tagen fließt der Yukon wieder sehr träge dahin und wir versuchen mit Hilfe einer Zeltplane das ganze ein wenig zu beschleunigen und üben uns im Segeln, jedoch ohne den richtig durchschlagenden Erfolg. Bei Thomas und mir stellen sich in verstärktem Maße Kreuzbeschwerden ein, was wohl an der ständig schlechten Sitzposition sowohl im Kanu wie auch an Land liegen dürfte. Daran merkt man dann doch, daß sich unsere Körper schon derart degeneriert haben, daß sie ohne den Komfort einer zivilisierten Welt nicht mehr auszukommen vermögen.

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Auch auf diesem Teil unserer Flußreise tauchen an den Ufern immer wieder Zeugen vergangener besserer Tage auf, als noch Tausende Menschen die Wälder am Yukon besiedelten auf der Suche nach ein bißchen Glück und Reichtum, oder aber einfach nur den Weg in die Anonymität suchend. Zum Teil ist man dabei, von Seiten der Regierung und privat gegründeten Vereinigungen, diese Denkmäler einer blühenden Ära wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen, wie sie wohl um die Jahrhundertwende zur Zeit des Goldrausches und eines Jack London ausgesehen haben mögen. So auch Fort Selkirk, einer kleinen Ansiedlung mit nur wenigen Häusern, einer Kirche sowie einer Schule, das von Indianern, die auch den naheliegenden Campingplatz verwalten, langsam aber sicher restauriert und wieder aufgebaut wird.

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Fort Selkirk

Ein Satz sei noch zu unseren ständigen Begleitern geschrieben, den Mücken. Man findet sie, oder besser gesagt sie finden einen, überall und bei jedem Wetter, sei es nun schön oder regnerisch. Einzig in den heißen Stunden gönnen sie uns eine Verschnaufpause, ist man nicht so verwegen und begibt sich ins Unterholz. Ist aber die Zeit gekommen da die Sonne an Kraft verliert, schwärmen sie aus ihren Verstecken aus, und fallen zu Hunderten über uns her, traktieren und malträtieren uns bis wir schließlich in den Zelten verschwinden. Einzige Abhilfe schafft hier wohl nur die Chemie. Das von uns in Whitehorse gekaufte Mückenmittel "Muskol", das wir in Spray-Form benutzten, zeigte erstaunlicherweise doch die auf dem Etikett angepriesene Wirkung, und man bleibt so von den Plagegeistern verschont, wenigstens an den Hautpartien die man damit behandelt. Man sollte nur tunlichst vermeiden mit behandelten Fingern sich die Augen zu reiben oder Lebensmittel anzufassen. Bei eventuell, täglich anfallenden Notwendigkeiten bei denen man gezwungenermaßen die Hosen herunterlassen muß, hilft nur eine möglichst rasche Vorgehensweise.

Am Zusammenfluß des Yukon und des White River ändert sich das Flußbild dramatisch. Der White River bringt, seinem Namen alle Ehre machend, Unmengen von feinstem Sand in den Flußlauf mit ein, und der vorher blaugrüne klare Strom verwandelt sich binnen weniger Meter in eine schmutzig graue, völlig undurchsichtige Brühe, bei deren Anblick und dem Gedanken daran in dieses "Wasser" hinein zu müssen uns richtig übel wird.

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Steward Island

Nun sind wir doch schon ziemlich lange auf dem Fluß unterwegs, und langsam aber sicher sehnen wir das Ende herbei. Einen Tag paddeln wir sogar nach der Uhr, im halbstündigen Wechsel zwischen Pause und Pullen. Die Strömung ist nun auch nicht mehr die allerschnellste, hat sich der Yukon hier doch ein ca. 2 km breites Bett gegraben und gleicht mit seinen vielen Inseln eher einem See denn einem Fluß.

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Am letzten Tag stehen wir etwas früher auf um auch rechtzeitig in Dawson einzutreffen. Als die ersten Häuser am Horizont auftauchen wird die Stimmung im Boot richtig euphorisch und ausgelassen. Wir singen alte Seemannslieder, besprechen bereits das Abendprogramm und freuen uns, daß uns die Zivilisation wieder hat, und die Eintönigkeit und Anstrengung ein Ende nimmt.

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Ankunft in Dawson City nach 800 km

Bevor wir alles am Pier von Dawson ausladen, wo wohl jeder Kanute anlegt, was an den vielen Booten, die hier vertäut sind, erkennbar ist, und den Abtransport organisieren, machen wir noch ein letztes Foto im Kanu. Anschließend mache ich mich auf den Weg zum Kanuverleih, währenddessen entladen Thomas und Mikel das Boot. Die Abgabe bei der Dawson Trading Post erweist sich als völlig unproblematisch, wie eigentlich alles was wir über die Fa. Canoe People abgewickelt haben, und einer der Angestellten, der auch das Kanu holen soll, nimmt mich noch freundlicherweise mit zum Goldrush Campground, wo ich gleich einen Platz reserviere.

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Der gleiche Angestellte fährt uns dann auch noch samt allen Zubehör vom Pier zum Campingplatz, und wir sparen dadurch eine enorme Schlepperei. Dort angekommen bauen wir in Ruhe unsere Zelte auf, bereiten uns darauf vor wieder unter Menschen zu sein und wollen zwei Tage lang Dawson City und sein angebotenes Programm genießen, bevor wir wieder mittels Expreß-Bus nach Whitehorse zurückkehren um unser Wohnmobil in Empfang zu nehmen. Somit geht dieser Teil unseres Urlaubes 1993 in den Yukon Territories zu Ende, und wir sehen mit Freuden, aber auch mit einem weinenden Auge dem weiteren Verlauf entgegen.

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Rückfahrt mit dem Bus nach Whitehorse
 
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Routenverlauf mit Übernachtungsplätzen Teil 1 und
 
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Teil 2


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